Hier gibt es eine Leseprobe für Kinder ab ca. 8 Jahren. 

Fine

Bei Leon zu Hause


„Heute Nachmittag besuchen wir noch Annette“, sagt meine Mutter und ruiniert so ganz nebenbei meinen Tag. Nichts gegen Annette, aber während meine Mutter sich mit ihr unterhalten wird, muss ich meine Zeit mit ihrem Vorzeige-Sohn Leon verbringen. Kotz, würg. Ich hab‘ noch Mamas Worte nach dem letzten Besuch in den Ohren: „Leon hat so ein ordentliches Zimmer. Da könntest du dir mal ein Beispiel nehmen.“ Bla, bla, bla. 

Nach einer kurzen Autofahrt sind wir auch schon dort.

„Geht doch einfach in Leons Zimmer. Wir rufen Euch dann wieder wenn wir hier fertig sind“, flötet uns Annette entgegen. Ich konnte mich gerade noch aus ihrer Umarmung befreien und einen überflüssigen Wangenkuss abwehren. Das fängt ja super an.

„Sollen wir was auf der PS4 spielen?“, fragt er. 

„Och nö, find ich langweilig“, antworte ich.

„Ja, ja is klar. Von wegen langweilig. Hast nur Schiss, ständig zu verlieren!“ Damit hat er zwar Recht, aber das wird er sicher nicht von mir hören. In dem Moment entdecke ich im Regal eine Carrerrabahn.

„Cool“, sag ich „ist das so ne alte Carrerrabahn? Mein Papa hat seine auch noch aufgehoben und einmal mit mir aufgebaut.“

„Nee“, meint Leon, „die Bahn ist neu und digital. Da können die Autos sogar die Spur wechseln. Willst du mal sehen?“ Ich bin begeistert. Zusammen machen wir uns ans Aufbauen und gerade als wir die Autos zum ersten Mal starten lassen wollen, ruft Annette von unten: „Leon, kommst du mal bitte kurz runter?“

Während ich mich über die Unterbrechung ärgere, geht Leon ohne zu meckern aus dem Zimmer und ist kurze Zeit später wieder zurück.

„Sag mal, machst du alles, was deine Mutter dir sagt, du Super-Leon-Vorzeige-Sohn?“ Etwas irritiert von meinem beleidigenden Angriff sagt Leon erstmal gar nichts. Dafür mache ich weiter: „Ständig muss ich mir von meiner Mutter anhören, wie toll du alles machst. Vor allem, wie perfekt du immer dein Zimmer aufräumst. Das nervt voll.“ Leon grinst mich breit an. „Mag sein, dass mein Zimmer immer perfekt aufgeräumt ist,“, sagt er, „aber nicht von mir.“

 „Deine Mutter räumt dein Zimmer auf? Wie unfair!“, protestiere ich.

„Nein, nicht meine Mutter, sondern meine Schwester.“

„Klar“, sag‘ ich, „und das soll ich dir jetzt glauben? Deine Schwester mag dich doch eigentlich nicht besonders. Warum sollte gerade sie dein Zimmer aufräumen?“ „Weil ich sie mit `nem Jungen knutschen gesehen habe. Wenn Mama das wüsste, dürfte meine Schwester ihn nicht mehr treffen. Solange ich nix davon erzähle, räumt sie mein Zimmer auf.“

 „Das ist ja genial.“ Sofort denke ich darüber nach, wie ich meine große Schwester auch dazu kriegen könnte, mein Zimmer aufzuräumen.

„Fine“, ruft meine Mutter von unten, „wir bleiben noch zum Abendessen hier. Es gibt dein Lieblingsessen: Spaghetti Bolognese.“ 

Oh, ich liebe wirklich Spaghetti Bolognese. Aber Annette ist so eine „super-gesund-Köchin“, was konkret bedeutet, dass ihr Essen meistens nicht schmeckt. Wenn ich nur an diese ekligen Vollkornnudeln denke. Statt leckere Bolognese-Soße mit Vollkornnudeln zu verschandeln, würde man sie besser zu Spargel essen. Der schmeckt ja eh nicht. Leon muss meine Gedanken gelesen oder aber nur meinen angewiderten Gesichtsausdruck richtig gedeutet haben.

„Keine Angst“, sagt er, „es gibt keine Vollkornnudeln mehr bei uns.“ Stirnrunzeln meinerseits. „Wie kommts?“, frage ich.

„Keiner in unserer Familie, außer meiner Mutter, findet Vollkornspaghetti lecker. Aus Spaß hatte ich vor ein paar Monaten eine leere Vollkornverpackung mit normalen Spaghetti gefüllt und diese in unseren Vorratsschrank gelegt. Meine Mutter hatte nichts bemerkt. Seitdem kauft mein Vater heimlich die leckeren Spaghetti und ich fülle sie jeweils in die Vollkornverpackung. Uns schmeckt es richtig gut und Mama ist beruhigt, weil wir uns ja so gesund ernähren!“

Ich fasse es nicht. Meine Mutter hatte Recht: Ich sollte mir wirklich an Beispiel an Leon nehmen!



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